Backhaus: EU beerdigt Dorsch- und Herings­fischerei in der westlichen Ostsee

Nr.300/2021  | 12.10.2021  | Europamv  | europa-mv.de

 

Fischer in der westlichen Ostsee dürfen nach dem Willen der EU 2022 keinen Dorsch und zumeist keinen Hering mehr gezielt fangen. Der für die Fischerei in Mecklenburg-Vorpommern zuständige Minister für Agrar- und Umweltschutz, Dr. Till Backhaus, kritisiert die Entscheidung.

„Wir hatten erwartet, dass die EU-Kommission erst im Dezember entscheidet und zwar im Sinne einer gemeinsamen Bewirtschaftung und Quotenfestsetzung für den Hering der westlichen Ostsee in allen seinen Fanggebieten. Es ist mehr als bedauerlich, dass sich die EU-Kommission und andere Mitgliedstaaten nicht zu dazu durchringen konnten“, so Backhaus.

„Die über mehrere Jahre einseitig zu Lasten der deutschen Fischerei - vor allem im Gebiet des strukturschwachen Vorpommern, das aber immer zugleich ein Hauptfanggebiet für Hering mit einer Jahrhunderte alten Tradition ist -  getroffenen Entscheidungen müssen ein Ende haben. Perspektivisch muss dieser Bestand als Ganzes betrachtet und so bewirtschaftet werden, dass jedenfalls keine Fischereiregion mehr massiv benachteiligt wird, wie es zuletzt für Mecklenburg-Vorpommern der Fall war“, stellt der Minister unmissverständlich klar.

Es ist bekannt, dass bei den Verhandlungen für das ICES-Gebiet 3a immer wieder Konzessionen an die norwegische Seite gemacht werden, zumal der Ostseehering auch noch weiter westlich in norwegische Gewässer wandert. „Von solchen Entscheidungen profitieren aber auch dänische und schwedische Fischer, die überwiegend mit größeren Kuttern fischen. Es darf nicht sein, dass der Fischerei dort mehr Fangmöglichkeiten eingeräumt werden als im Laichgebiet vor der vorpommerschen Küste“, so Dr. Backhaus.

Die EU-Kommission plädiere zu Recht immer wieder dafür, die kleine und handwerkliche Fischerei schützen und unterstützen zu wollen. „Ich appelliere an die Kommission, diesen Worten Taten folgen zu lassen! Denn in Mecklenburg-Vorpommern sind es längst überwiegend Fischer mit kleinen Kuttern unter 12 Metern Länge und mit Booten, die Heringsfischerei vor allem mit passiven Fanggeräten wie Stellnetzen und Reusen betreiben.“

Es ist daher überaus wichtig, dass man sich im Fischereirat immerhin darauf verständigt habe, den Fischern dieser Fahrzeugklasse Ausnahmen und entsprechende Quoten einzuräumen. „Wenn ab 2022 keine gezielte Fischerei auf Hering in der westlichen Ostsee mehr erlaubt sein wird, nützt auch keine Beifangquote, denn Hering wird in den anderen Fischereien kaum als Beifang angelandet. Nun sollen die kleinen Kutter und Boote wenigstens 50 Prozent der Vorjahresquote fangen dürfen, dass wären für Mecklenburg-Vorpommern rund 250 Tonnen“, nahm der Minister immerhin diese Entscheidung wohlwollend zur Kenntnis - dies auch, weil es die Basis dafür darstellt, die immer noch verbleibenden massiven Einbußen der Heringsfischerei mit Maßnahmen der zeitweiligen Stilllegung abzumildern. „Wenn die Bundesregierung die Bereitschaft erklärt hat, solche Maßnahmen in gemeinsamer Verantwortung mit den Küstenländern vorzusehen und dafür Mittel bereit zu stellen, entspricht das unseren Erwartungen und wird von mir sehr begrüßt.“

Vergleichbar soll künftig auch die Dorschfischerei Unterstützung erhalten können, um deren Fortbestand zu ermöglichen. „Wie bei den Heringsfischern geht es auch bei den vom Dorsch abhängigen Betrieben ums nackte Überleben! Man muss sich einmal vorstellen: Unsere Küstenfischerei hat 2016 noch mehr als 1.000 Tonnen Dorsch angelandet, von 2001 bis 2010 sogar relativ stabil zwischen 2.000 und 5.000 Tonnen. Die aktuelle Quote für Mecklenburg-Vorpommern erreicht gerade noch 257 Tonnen. Und diese Mini-Quote wird nun um 88 % gesenkt! Für MV ergeben sich Quoten von um die 30 Tonnen, das ist so viel, wie früher ein einzelner, nicht allzu großer Kutter an Quoten hatte“, machte Dr. Backhaus die Dramatik der Entwicklung deutlich. Es sei schon im Vorfeld klar gewesen, dass derart niedrige Quoten keine gezielte Dorschfischerei mehr erlauben würden, sondern lediglich als soge­nannte Beifangquoten für andere Zielfischereien dienen könnten. Genau dieses sei aber wichtig, um auch für diese Sparte der Küstenfischerei Hilfen über das EU-Förderinstrument der zeitweiligen Stilllegung anbieten zu können.

Von der Anhebung der Schollenquote dagegen profitiere Deutschland mangels eigener historischer Quotenanteile kaum. „Wir haben gemeinsam mit Schleswig-Holstein ein Agreement mit Dänemark für 2021 zur Übernahme von dortigen Quoten. Im Gegenzug dürfen dänische Fischer, die historisch verbrieften Rechte zur Fischerei in deutschen Hoheitsgewässern haben, dieses Jahr auch andere als nur quotengebundene Arten anlanden. Wir werden genau schauen, ob diese Vereinbarung auch zum Vorteil unserer Fischer ist, dann aber auch Schollenquoten für sie sichern“, erklärt Dr. Backhaus.

„Mecklenburg-Vorpommern sieht durchaus noch Möglichkeiten, die Küstenfischerei zu unterstützen, sowohl mit fischereispezifischen Instrumenten, aber auch darüber hinaus“, so der Minister. „Wenn einige Fischer noch immer sagen, dass sie zuvorderst fischen wollen – was ihnen keiner verdenken kann, denn das können sie einfach am besten – so ist aber auch klar, dass man dafür immer entsprechende Fischbestände braucht. Sind diese nicht da, so wie es jetzt ist und vielleicht einige Jahre der Fall sein wird, muss man über alle nur möglichen Alternativen nachdenken“, reagiert der Minister auf Erwartungen des betroffenen Berufsstandes. „Fischer haben Kenntnisse über das Küstenmeer wie kein anderer, sie haben seetüchtige Fahrzeuge und Technik an Bord. Damit lässt sich auch neben der Fischerei einiges anfangen, wie die Bergung verlorenen Fanggeräts all der letzten Jahrzehnte, der Einsatz im Rahmen von Forschungsprojekten auch über den Fischereibezug hinaus oder touristisch geprägte Aktivitäten.“

Nicht zuletzt sei auch die Freizeitfischerei von den heutigen Entscheidungen betroffen, denn Angler dürften 2022 nur noch einen Dorsch pro Tag fangen. „Mir ist bewusst, dass einige Anbieter von Angeltouren damit die Basis verlieren, denn für einen Fisch pro Tag bucht kaum ein Angler eine Kutterausfahrt“, räumt der Minister ein. Andererseits säßen Fischer und Angler buchstäblich in demselben Boot und die EU habe schon vor einigen Jahren Bag-Limits eingeführt, um ein einigermaßen gerechtes Fischereimanagement zu praktizieren. „Das gilt auch für den Lachs, und immerhin konnte hier das vom ICES empfohlene totale Fangverbot in der mittleren und westlichen Ostsee verhindert werden. Nun dürfen Trolling- oder Küstenangler immerhin einen Lachs pro Tag fangen und mitnehmen, wenn es sich um einen markierten Fisch aus künstlicher Aufzucht handelt.“ Das sei ein Kompromiss, der vor allem den Touristikanbietern immer noch weh tue, aber nicht dazu führen müsse, dass sie aufgäben und ihre erheblichen Investitionen verlören. „Immerhin werden hier einige Millionen Euro Umsatz pro Jahr erzielt und hängen indirekt weitere Partner aus Tourismus, Gastgewerbe und Gaststätten mit davon ab“, so der Minister abschließend.

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